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Ein Sonntagnachmittag im August*)

      Unsere Tochter buchte einen Kurzurlaub (eine Woche) in Cuxhaven - Sahlburg. Ihr Mann hatte sie mit  ihren Kindern gebracht. Geplant war, am Abend berufsbedingt wieder zurück zu fahren. Wir fanden die Idee, die Zeit zwischen den Wochenenden mit den Enkelkindern gemeinsam zu verbringen schön. Froh waren wir, wie das Navi verkündete: „Fahrziel erreicht“, bei dem Badewetter eine „Parknische“ zu finden. Wir wurden gleich entdeckt, da wir zuvor unsere Ankunftszeit gegen 14.30 Uhr telefonisch angekündigt hatten.
       Nach kurzer Begrüßung war das Gepäck ausgeladen. Wir beschlossen, bevor unser Schwiegersohn wieder nach Hause fahren würde, die Sonnenstunden am nahen Strand gemeinsam zu nutzen und erst später das Auto auf den dann frei werdenden Abstellplatz in der Tiefgarage zu stellen.
Als die Tochter, die unseren Schwiegersohn verabschiedet hatte, zurück kam meinte sie: „Ich glaube an eurem Auto hängt ein Knöllchen. Nur an eurem. An keinem anderen daneben.“
        Nachdem wir den Strandaufenthalt beendeten, mit dem Kleinen zur Unterkunft aufbrachen, fand sich tatsächliche ein Knöllchen am Auto: Tatvorwurf: 141312 Sie parken im absoluten Halteverbot. Verwarngeld 15,00 EUR“.
       Halteverbot? Andere Autos stehen ohne Verwarnung neben meinem, das teilweise auf der mit Pflastersteinen abgegrenzten Zufahrt zum Wohnkomplex Hans-Claußen-Straße geparkt ist. Wo ist das Halteverbot zu erkennen?
      Mit einem Smart Forfour besitze ich ein Auto, das kürzer, als gewöhnlich ist. Ich hatte es etwas „großzügig“ abgestellt, stand nicht dicht am Nachbarfahrzeug, um dem Fahrer den Einstieg nicht zu eng zu halten. Sicher hätte ich einen halben Meter vorrollen können. Aber dazu sah ich keine Notwendigkeit, da der Einmündungsstraßenbereich meiner Ansicht durch eine Kurvenpflasterung mit recht weitem Radius abgegrenzt ist, ich aller Voraussicht nach, an einem Sonntag den sporadischen  Verkehr zu den hauseigenen Parkplätzen niemand behibdert. Ein Krankenwagen oder eine Feuerwehr hätte bei einem Einsatz ausreichend Platz gefunden, ein- und auszufahren. Müllcontainer waren am Sonntag nicht zu erwarten, wie ich sie später an Werktagen sah.
        Ich finde es besucherunfreundlich mein abgestelltes Fahrzeug hier zu beanstanden. Denn hier ist meiner Ansicht nach nicht zu erkennen, wo exakt ein absolutes Halteverbot gilt. Wo ist das Schild? Dass ich da nicht allein so reinfalle, zeigt ein weiteres geparktes Auto an dieser Stelle, am gleichen Abend gegen 19.55 Uhr (Fotoangabe der Kamera). Meinen Nachbar, der nur wenig mit Rad und Heck über das Pflaster ragte, ließ der Protokollausteller „großzügigerweise“ entkommen.
        Mein Vorschlag  - ernst gemeint - ist die Halteverbotsstelle eindeutiger zu markieren – es wimmelt ja ohnehin an Schildern - indem das auf der anderen Seite errichtete entsprechend versetzt wird, um weiteren Gäste die „Falle“ zu ersparen. Zunächst sehe ich einen etwas ungenau definierten Raum, denn das Fahrzeug steht noch, wenn nur zum Teil, auf dem schottrigen erlaubten Parkplatzraum.
        Meine eigene Konsequenz: Denk ich an Cuxhaven, so denke ich an das Knöllchen, habe eine Pedantengeschichte parat. Für die Kurtaxe - für zwei Personen 6 Tage 28 €, die die Gemeinde erhebt.       Was wäre mehr Großzügigkeit für Besucher zu erwarten? Will man nicht viele Gäste locken? Gegen andere Knöllchen oder Knollen von Hundepopos wäre es angebracht pedantischer vorzugehen. Aber das ist ein anderes Kapitel …                                                                                       © Willi Volka
*) Anlage zu einem Brief an den OB von Cuxhaven vom 13.08.2019
                                                          





„Wie bitte geht Gerechtigkeit?“ Cornel West über Liebe und vom Sterben
lernen

    Hannover stand vom 13. bis 16. März 2014 im Zeichen des 4. Festivals der Philosophie, das seit 2008 alle zwei Jahre unter einem bestimmten Thema stattfindet: 2008 „Die Seele: Metapher oder Wirklichkeit“, 2010 „Mensch – Natur – Technik (Motto der Weltausstellung Hannover 2000), 2012 „Vernunft“ und 2014 „Wie bitte geht Gerechtigkeit?“
   An verschiedenen Orten in der Stadt wurden Vorträge, Symposien, und Lesungen gehalten, Film- und Theateraufführungen gegeben, die sich an jedermann richteten. Sie kosteten meist keinen Eintritt. Viele Veranstaltungen liefen leider parallel, so dass der Einzelne immer wieder gezwungen sah, sich zu entscheiden. Ziel des Festivals war es, die Philosophie den Bürgern näher zu bringen, „im besten Sinne zu philosophieren“. Vorbild ist das „Festival di Filosofia“ in Modena (Italien). Hannover hat als erste Stadt Deutschlands das „Format eines Philosophie-Festivals“ aufgegriffen.
   Oberbürgermeister Stefan Schostock von Hannover, seit Oktober 2013 im Amt, eröffnete zum ersten Mal dieses Festival und begrüßte mehr als 250 Zuhörern, wovon infolge des Andrangs einige noch stehen mussten,
















den Festredner Prof. Dr. Cornel West  im Kongresssaal des Herrenhäuser Schlosses zu erleben. West war eingeladen, die Auftaktveranstaltung des Festivals zu bestreiten. Schostock stellte heraus, dass Hannover sich als Stadt von Leibniz präsentiere, dass das nicht nur ein Etikett sein soll, wie beim Leibnizkeks oder im Namen der Leibniz Universität, sondern auch Anstöße des Denkers aufgegriffen und weiter getragen werden, wie es die hier ansässige Leibnizgesellschaft und das Festival der Philosophie selbst verkörpere. Das Leben Leibnizund sein Wirken ist mit Hannover verbunden und die Stadt sehe es als Pflicht und Chance an, sein Werk und Denken weiter zu tragen..





















  Schostock
konnte festhalten, dass dieses Jahr das Festival zum einen internationaler und damit interkultureller geworden war, zum anderen, dass es sich verstärkt an die jüngere Generation wandte. Dies spiegelte sich auch in einem frischen Design, das vom Aufbruch zeuge. Stolz stellte er fest, dass das Philosophiefestival zu den großen in Deutschland zähle, vier Tage dauere und über 90 Veranstaltungen anbiete.
   Das Themenangebot war breit. Da gab es höchst gesellschaftsaktuelle Themen oder Stichworte, wie z.B. „Wie wird das Denken der Technik gerecht?“, Recht des Menschen angesichts von Maschinen und Roboter“, “Multiethischer Kontext“, Gerechtigkeit zwischen Genrationen“, Gerechtigkeit mal weiblich“, „Verteilungsgerechtigkeit“, Grenzen des Wachstums“, “Gerechte (Auto)Mobilität“ oder die „Rolle der Medien.“Nicht nur Vorträge waren im Angebot, sondern auch Filme, Theaterstücke, Ausstellungen, Lesungen, Schreibwerkstatt, Jazz-Gottesdienst, Frauenfrühstück um einiges zu nennen. Bemerkenswert war auch das Poetry Slam zum Thema und um wieder auf Cornel West zu kommen, seine Diskussion mit OberstufenschülerInnen über die Frage „Wie kann ich Gerechtigkeit lernen?“ 
   Schostock
  stellte Cornel West als einen vielseitigen Menschen dar, als eine multidimensionale Persönlichkeit und einen  prominenten Provokateur vor, der seine Philosophie auch lebe.
    Es folgte eine kurze Begrüßung durch Prof. Dr. Klaus Hulek, Vizepräsident für Forschung der Leibniz Universität Hannover.
    Prof. Dr.  Miriam Strube, Professorin für Amerikanistik, Literatur und Kultur an der Universität Paderborn, hatte es übernommen Werk und Leben  von Cornel  West zu würdigen, seine akademischen Laufbahn, seine Werke und sein Wirken vorzustellen. Sie kennt ihn schon lange und konnte auch von ihren persönlichen Begegnungen mit ihm sprechen und führte danach durch den Abend, was weitgehend in englischer Sprache erfolgte.
    Cornel West zeige sich als Persönlichkeit von vielseitigem Charakter: Sie zeichnete ihn in vielen Facetten als einen provokativen Intellektuellen, einen Philosophen, einen Theologe,  einen Prediger, einen Bürgerrechtler, der in Martin Luther King ein Vorbild sieht, als einen Musiker und Propheten der sich mit afroamerikanische Studien befasse. Gehe man mit ihm durch die Straßen, erlebe man, dass er seine Philosophie für den Menschen auch lebe, indem er Straßenrandbettlern spende. Er hat Lehraufträge an verschiedenen Elite-Universitäten wie Yale, Princeton. Außerdem sei er vielfach in den Medien wie Radio, Fernsehen und Kino vertreten. Mit über 20 Buchtitel, die seinen Namen tragen, ist er auch Erfolgsautor, wie z.B. sein bekanntes Werk, die  Essaysammlung „Race Matters“ (Bestseller), 1993  oder  „The Rich and  the Rest of US“ (2012) oder „Hope on a Tightrope – Words and Wisdom (2008).  Letzteres gilt als mutiges Buch, er analysiert die Rassenunruhen von Los Angelos und hält der amerikanischen Gesellschaft in vielen Aspekten den Spiegel vor in Bezug auf Rasse, Vorbilder, Glaube, Familie, Philosophie, Liebe, Konsumverhalten und Dienste. Neben vielen Auszeichnungen erhielt er z.B. 2009 den American Book Award für zeitgenössische Literatur.
    Zum anderen sei er auch Musiker der Popp-Szene und hat mit Hip-Hop bei Einigen Befremden ausgelöst. Bekannt ist er  durch seine Auftritte mit BMWMB. Von sich sagt Cornel West: „I am a blues man in the life of the mind music“ oder “ I’m a jazz man in the world of ideas …“.
    Bei so vielen Vorschusslorbeeren waren die Erwartungen hoch, werden sie erfüllt werden können?





















   Die äußere Gestalt fällt unter der hannoversichen Bevölkerung sofort auf – als Afroamerikaner ist tritt er mit schwarzem Dreiteiler und schwarzer Krawatte auf, wodurch die weißen Hemdmanschetten besonders heraus leuchten, was die Bewegungen der Hände und Arme unterstreicht, ein Gesicht im Kontrast zum Schwarz des Stoffen, gar nicht mehr so schwarz erscheint, Kraushaar, breite Lippen, dichte Augenbrauen, Bart und Brille, dem Glanz vom Augapfelweiß  und die sonore Stimme, die kräftig tönt, manchmal zurückhaltend und dann am Rednerpult die Körpersprache, aufrecht, erhabenem Hauptes, mit gestikulierenden Händen, den Blick fest ins Halbrund gerichtet, nach vorne, rechts und links zur Seite. Sein Aufruf, für die lobenden Worte des OB zu beklatschen, wird mit seinen Dankesworten und einer Verbeugung begleitet, wie er auch unter den Zuhörern entdeckte Freunde begrüßt. Der Weg zum Rednerpunkt war gewandt und leicht erfolgt.























   Seine ersten Sätze stellten eine gestenreiche Einleitung dar und zogen sofort in Bann. Das Publikum hing an an seinen Lippen – allerdings musste man der englischen Sprache mächtig sein, um auch Nuancen heraus hören zu können. Körpersprache, Gestik, Stimme und Inhalt wuchsen aus ihm in einer faszinierenden Einheit. Seine Worte sind emphatisch, begleitet von sich bewegenden Armen, wenn sie sich ans Pult fassen oder einfach abgelegt sind, um dann wieder sich frei zu strecken, auf diesen oder jenen zu zeigen oder den Zeigefinger zu erheben. Viel Gestik begleitete seine Aussagen. Seine Stimme ist voller Wechsel, mal sanft, mal eindringlich oder auch kräftig explosiv, bis hin zum Ansatz von Gesang
  . Unter vielen Aspekten verwies er unter anderem auf René Descartes, seine Denkanstöße in Bezug auf Materie und Geist, die Welt der Mathematik, Physik und Wissenschaft einerseits und die der Dichtung, Geschichte, Überlieferung, des Geistes und vertritt die Überzeugung, dass beides gleichermaßen wichtig sei und Hand in Hand gehen, dass der Dialog darüber geführt werden müsse, dass beide miteinander im Kampf stehen, letztlich um Kraft für die Freiheit zu finden. Das gehöre uneingeschränkt zum Menschsein dazu
 .  Seine Philosophie, sein wortgewaltiges Denken will bewegen, verändern. Ganz wesentlich ist ihm, dass die „Gerechtigkeit durch etwas gerettete werden muss, das tiefer liegt als Gerechtigkeit – die Liebe.“ Die Liebe stellt er über alles, ist geradezu ein Leitmotiv. Man kann nicht über Gerechtigkeit sprechen, ohne über Hoffnung zu sprechen. Immer wieder tauchte der Hinweis auf, dass Philosophieren neben der Liebe heißt, das Sterben zu lernen. Den Anhängern des Fetischismus ewig jung sein zu können bzw. sein zu wollen, sprach er die Reife, die Demut ab und sieht Verwundbarkeit darin. Seine wichtigsten Begriffe sind neben Liebe und Sterben, Weisheit, Aufrichtigkeit, Tugend, Anständigkeit mit Mut gepaart, Beständigkeit Vergleich (Benchmark), um eine Metamorphose durchleben zu können. Gerechtigkeit zeige sich, indem was Liebe der Gesellschaft bedeutet und es gilt ein versuche es noch einmal, um im Scheitern weiter zu lernen.
    Sein Zorn war auch in der Zeit der Black Power gewachsen und er setzte ihr gegenüber das Mitgefühl, die Liebe und der allgemeinen Umarmung entgehen. Eine Grundvoraussetzung sei  es, Gespräche zu suchen und zuzuhören, um zu verstehen und damit zu einsichtigen Reaktionen zu kommen.
    Aber er war nicht nur ein allgewaltiger Redner, sondern stellte ich auch Kommentaren und Fragen aus dem Publikum.
    Groß macht ihn, immer wach zu sein, anzuregen, verändern und verbessern zu wollen, sich für unterdrückte Menschen und soziale Gerechtigkeit einzusetzen, zu jedem darüber zu sprechen, für Studenten da zu sein, auch zu demonstrieren und das Ganze unter dem großen Schild und dem Untergrund der Liebe und Demut zu lernen und damit und davon zu leben. Wir sterben täglich ein wenig mehr, das ist selbstkritisch zu sehen.
    Der Abgang vom Rednerpult, im Gegensatz zum Gang ans Rednerpult, erfolgte  eher mit fast einknickenden Bewegungen, gebeugt, als drücke ihm all die Last seines Wissens, der Ballast der Ungerechtigkeit gegen die er antritt – eine schlanke, mittelgroße Gestalt, im schwarzen Anzug, der sein Gesicht fast leuchtend erscheinen lässt. Heftigen Applaus erhält er. Er hat den Zuhöreren ein Leitmotiv gegeben, lernen zu sterben, um lieben zu lernen. Die Liebe als die Stimme aus dem Hintergrund, um aus Fehlern zu lernen. Das Zuhören praktizieren. Aus der Metamorphose des Sterbens lernen und  die Frage nach Gerechtigkeit aktivieren, gemäß dem Satz von Leibniz: „Ein Gesetz kann ungerecht sein, nicht die Gerechtigkeit.“
                                                                                                       © Willi Volka





                                  

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