Inmitten der Waldbaumkorona Vogelgezwitscher und Stammhämmern Ruhe Langsamkeit Lauschen Waldbaden Schritt für Schritt grüne Blütendüfte einatmen Karussell der Corona-Ansagen sich
drehen lassen … (25.04.20)
Coronazeit
Revierkampf
Es war ein Kohlmeisenpaar, das einen Hausgarten
bewohnte. Wie in ihren Kreisen üblich hackte, einer von beiden kräftig von
außen am Schlupfloch, seltener von innen des rechten Nistkästchens. Ein reges
Ein- und Ausfliegen zeigte an, dass die „Immobilie“ akzeptiert ist. Früh am
Morgen fielen die Sonnenstrahlen darauf, wenn sie hervorkam. Dieses April
schien die Sonne wochenlang.
Ich beobachtete die beiden Geschöpfe, wie sie auf dem
Rasen gemeinsam dicht beieinander pickten. Einer flatterte kurz zum anderen rüber,
schnäbelte ihn oder sie. Es sah aus, als würde ein Leckerbissen gereicht. Ein
Zeichen der Zusammengehörigkeit.
Die Meisen zirpten von der Felsenbirne, aus dem
Rhododendron oder von benachbarten Bäumen. Amseln, ein Braunellenpaar oder
Tauben kamen in den Garten. Ein Rotkehlchen hatte sich wieder verzogen.
Eines Tages tauchte eine Blaumeise auf, setzte sich
ans rechte Häuschen. Die Kohlmeise signalisierte mit kräftigem Zirpen: Hier ist
mein Revier. Der Ankömmling versteckte sich, lauerte, bis die die Luft rein
schien. Er näherte sich erneut und inspizierte das anderen Nistkasten, der
neben einer Eibe hängt. Die Kohlmeisenpioniere waren auf der Hut. Sie
attackierten den Eindringling. Miteinander kämpfend verhakten sich Schnäbel,
hackten aufeinander ein und trudelten flügelschlagend zu Boden. Ich klatschte
in die Hände. Die Streiter flohen, jeder in eine andere Richtung. Die Blaumeise
gab nicht auf, versuchte es wieder und nutzte die undurchsichtige Eibe dabei
zur Deckung. Umsonst. Die Attacke folgte prompt. Nach ein paar Tagen war der
Kampf ums Revier entschieden.
Die beiden Kohlmeisen pickten am Sommerflieder, am
Winterjasmin und im Rasen. Sie flogen ein und aus. Wir hofften, dass später im
Jahr Nachwuchs schlüpfen würde. Fliegen tanzten im Garten. Nachts fiel die
Temperatur bis auf 2° C. Am Tag stiegen sie auf 15° Lufttemperatur. Seit Wochen
hatte es nicht mehr geregnet. Die Luftfeuchtigkeit lag unter 40 %. Unsere
Brunnenschalen füllte ich regelmäßig mit Wasser. Besucher kamen zum Trinken und
Baden. Tauben und Amseln tummelten sich ebenfalls dort. Sie alle bedienten sich
am Körnerzylinder, der in der Felsenbirne hing, die einen oben, andere am
Herabgefallenem.
Ein Tag glich, was das Wetter anging, dem Nächsten. Es
war, als hätte der Regen Kontaktsperre. Die Natur trieb ihr Grün und ihre
Knospen. Sie kümmerte sich nicht um die Vorgänge in der Welt. Der Boden hatte
Feuchtigkeit gespeichert. Unsere Felsenbirne trug weiße Blüten, schneite
innerhalb ein paar Tagen ihre Blütenblätter. Früchte bildeten sich. Nascher,
Tauben und Amseln, flattern im Geäst. Die neuen Blätter werfen Schatten.
Dann fiel auf, dass der Alltag der Vögel sich
veränderte. Seltener flog einer von ihnen zum Schlupfloch. Das Zirpen war
verstummt. Was bedeutete das? Ich beobachtete, dass eine Meise sich ans zum
Vogelhaus setzte, hineinschlüpfte und gleich heraus kam. Stattdessen machte sie
sich am Nachbarbau zu schaffen. Nach dieser Beobachtung kam keine Kohlmeise
mehr zum Nistkasten. Eine flattert quirlig, wie sie sind, Tag für Tag zur Brunnenschale
zum Baden. Sie pluderte sich und spritzte Wasser.
Scheiden sich Vogelpaare? Wahrscheinlicher ist ein
Unglück. Wir hatten es erlebt, dass es im wilden Wein an der Hauswand heftig
raschelte und kläglich piepste. Ein Sperber hatte sich eine Meise gegriffen und
flog mit ihr im Schnabel davon. Oder gibt es bei Kohlmeisen eine
Viruskrankheit, wie bei den Blaumeisen?
Nachdem die Nistkästen nicht mehr aufgesucht wurden,
hob ich die Dächer, sah nach. Das rechte war unbenutzt. Das linke erschreckte
mich. In einer sorgfältig gepolsterten Kuhle streckten sich 6 federlose
Körperchen platt – alle tot. Dazwischen schimmerte ein Ei. Ein deprimierender
Anblick. Eine Tragödie offenbarte sich (Siehe Monatseite, letzte Bilder). Eine „alleinerziehende“ Kohlmeise war nicht in der
Lage die 6 Schnäbel mit Futter zu bedienen. Oder lässt das nicht ausgebrütete
Ei daraus schließen, das die nackten geschlüpften Küken in den kalten Nächten
unterkühlt starben?
Wie ergreifend das Ende.
Wir erinnerten uns, dass
Jahre zuvor Nestflüchter durch den Garten hüpften, sich in Deckung haltend,
piepend riefen, wenn die Eltern Futter brachten.
Die Besuche einer munteren
„Fünferbande“, die Geschwister, blieben ihrem Revier eine Zeitlang treu.
Entdeckten wir sie, stießen wir uns an. Das sind sie. Nach dem tragischen
Ausgang liegt die Hoffnung auf einer zweiten Brut.
Flüchtige Gedanken aufschreiben oder Augenblicke im Bilde fest halten – wenn man dies immer wieder tut, was ist dies? Ein Hobby, ein Grundbedürfnis, eine Lebensweise? Dieses Festalten kann viele Ausprägungen erfahren: Tagebuchnotizen, vom Erleben angestoßene Phantasiegeschichten, ein als schön empfundener Satz sich zu einem Vers weiter gesponnen oder auch in unserer technisierten Zeit ein Foto, ein Video, etwas Gesprochenes, Gesungenes oder Vertontes, ausgelöst durch das was gerade geschehen, was in die Erinnerung gestiegen oder ausgedacht worden ist. Das Festhalten erfolgte seit Jahrtausenden vor allem in Zeichnungen, Bild- und Schriftzeichen:
„Sie zwingt die Hälse aller Männer sich umzudrehen, um sie anzuschauen“,
so ein Vers aus der Zeit der Pharaonen (aus "Junger Mann", in "Gärten der Liebe", aus dem Papyrus Chester Beatty I: Der Zyklus der sieben Stanzen , Artemis & Winkler, 2000, S. 10)
Ein Beobachten, das leicht nachvollziehbar ist, zeigt einen Moment des Seins, der wohl heute noch nachempfunden werden kann. Geben wir der Neugier Raum, aufzublättern, Stimmungen einzufangen, Empfindungen, Erwartungen wieder zu erkennen ... .